DAS EIGENE VERHALTEN

Solange wir mit dem Hund ein Lehrer / Schüler Verhältnis aufrechterhalten und uns selber als den Lehrer, und somit besseren, stärkeren Partner empfinden, werden wir immer Schwierigkeiten mit unserem Hund haben.

Da es sich um eine Partnerschaft zwischen Mensch und Hund handelt, müssen beide Partner, wie in einer menschlichen Beziehung auch, lernen Kompromisse einzugehen. Und dies heißt für uns als erstes vom Podest des Lehrers herunter zu steigen und den Hund als gleichberechtigten Partner anzuerkennen.

Auch wenn wir der Meinung sind dem Hund etwas beizubringen, wir brauchen uns nichts vormachen, wir lernen mindestens genauso viel vom Hund wie er von uns.

Zudem erzieht auch unser Hund uns selber, ohne daß wir dies merken.

Der Hund braucht nur zur Tür zu laufen und schon richten wir uns zum Spazierengehen. Er läuft aufgeregt in die Küche und wir richten ihm sein Futter. Er frißt sein übliches Futter nicht und wir kaufen eine neue Futtersorte. Er zieht an der Leine dahin wo es für ihn interessant ist und wir folgen ihm. Er holt seinen Ball und wir spielen mit ihm. Er buddelt an seinem Mauseloch und wir warten bis er fertig ist.

Warum haben wir nicht gemerkt, daß wir erzogen wurden? Unser Hund hat ohne viel Aufsehens ganz einfach immer nur das gleiche gemacht und uns somit konsequent dazu erzogen uns nach ihm zu richten.

Genau an dieser Konsequenz fehlt es uns, wenn wir den Hund erziehen wollen. Sicherlich werden wir niemals mit einer solchen Konsequenz wie ein Hund handeln können, aber wir können uns zumindest eine Minimalkonsequenz antrainieren.

Um damit jedoch beginnen zu können, müssen wir uns unseres eigenen Verhaltens erst einmal bewußt werden. Dazu gehört sich selber zu beobachten, die Reaktionen auf unser Verhalten zu beobachten und daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.

Viele Hundehalter fangen jedoch erst dann an bewußter an das Ganze zu gehen, wenn es schon zu Problemen gekommen ist. Dies bedeutet auch, daß das Vertrauen, das Fehlverhalten des Hundes aus eigener Kraft ändern zu können, nicht mehr besonders groß ist.

Wir sind auch nur Menschen und versuchen deshalb immer den angeblich einfachsten Weg, den Weg des geringsten Widerstandes, zu gehen. Also wird zwar versucht etwas zu ändern, aber meist schon beim geringstem Mißerfolg wieder aufgegeben, denn durchhalten wäre anstrengend und der Erfolg ist ja nicht abzusehen. Vor allem aber werden möglichst die Situationen vermeiden, in denen das Fehlverhalten des Hundes auftritt.

Wenn der Hund an der Wohnungstür tobt wenn es klingelt, ist es bedeutend einfacher ihn weg zu sperren als das Verhalten zu ändern. Dies ist zwar in der jeweiligen Situation einfacher, nur zufrieden sind wir damit sicher nicht. Im Gegenteil, es kommt eins zum andern, und auf Dauer sind die Fehlverhalten des Hundes ganz schön nervend. Ein Weg der 100 %tig zur einer Verschlimmerung des Fehlverhaltens führt.

Da die eigene Nase immer am weitesten entfernt ist, ist es bedeutend einfacher beim Hund die Schuld zu suchen und natürlich auch zu finden. Wir geben ihm doch alles und er verhält sich so flegelhaft. Wie stehen wir denn dabei da. Das Verhalten des Hundes wird peinlich. Wir verlieren unser Gesicht.

Wenn es einmal soweit gekommen ist, kommen dann noch die Extremlösungen.

Der Hund wird kastriert, weil er dann angeblich friedlicher wird oder er wird im schlimmsten Fall abgegeben. Wir haben komplett kapituliert. Damit wir dies aber nicht so empfinden müssen und uns Vorwürfe machen müssen, können wir nur die Schuld dem Hund geben. Oder man versucht sich Rat zu holen. Leider kann jedoch auch der beste Hundeausbilder am Hund keinen roten Knopf finden, mit dem sich im Handumdrehen der Hund reparieren läßt. Natürlich kann man den Hund zu ausbilden abgeben und das Fehlverhalten ändert sich meist sehr schnell. Dies liegt jedoch ausschließlich daran, daß der Hund in ein neues Rudel kommt, seine Rangposition nicht gefestigt ist, er die Schwächen des Ausbilders nicht so genau kennt wie die seines Hundeführers und es dem Ausbilder somit ein leichtes ist, das Fehlverhalten des Hundes zu ändern. Kommt der Hund zu seinem Hundeführer zurück, ist anfänglich alles in Ordnung, doch nach einiger Zeit tritt genau das gleiche Fehlverhalten auf wie zuvor.

Warum? Der Hund hat zwar gelernt sich anders zu verhalten, jedoch nicht der Hundeführer. Also muß der Hund wieder so reagieren wie zuvor. Da durch diesen Mißerfolg das Selbstvertrauen des Hundeführers noch weiter sinkt, kommt es oft sogar noch zu einer Verschlimmerung des Fehlverhaltens des Hundes. Wenn ein Hundeausbilder nicht nur das schnelle Geld machen will, wird er immer versuchen, sowohl das Verhalten des Hundes, als auch das des Hundeführers zu ändern. Und dies mit einer der hundlichen Welt angepaßten Konsequenz.

Da uns selber unser Verhalten oft nicht bewußt ist, ist es durchaus geschickt einen Spiegel vorgehalten zu bekommen. Auch der beste Hundeführer sieht oft die Fehler nicht, die er selber macht. Das Verhalten zu ändern setzt jedoch erst einmal voraus, dies überhaupt ändern zu wollen und sich zu- zutrauen eine Änderung bewirken zu können. Zudem muß man sich und dem Hund die Zeit zugestehen eine neue Kommunikation aufbauen zu können.

Das alles soll allerdings jetzt nicht bewirken, daß der letzte Rest des Selbstvertrauens auch noch verschwindet und man das Gefühl hat, alles falsch gemacht zu haben oder Schuld zu sein. Aber wir sollten uns immer wieder bewußt sein, daß es ganz allein unsere Entscheidung war den Hund zu uns zu holen – ihn selber hat niemand gefragt, was er dazu meint.

Wenn wir also etwas erreichen wollen, bedeutet dies sich einige Fragen ehrlich zu beantworten:

- Warum habe ich mir eigentlich einen Hund angeschafft?

- Was will ich bei meinem Hund erreichen und wer von beiden hat was genau davon?

- Warum will ich dies erreichen und wird dies beiden gerecht?

- Traue ich mir das noch zu oder suche ich nur eine einfache Lösung?

- Will ich das Verhalten des Hundes wirklich ändern oder ist mir dieses im Grunde doch ganz recht?

- Bin ich bereit genauso vom Hund zu lernen, wie ich es von ihm verlange?

- Bin ich bereit mich dem Hund auf seine Art verständlich zu machen, so wie ich erwarte daß er mich versteht?

- Bin ich bereit mich in den Hund und seine Welt hinein zu versetzen, so wie ich erwarte daß er meine Welt akzeptiert?

- Vertraue ich noch meinem Hund und kann er mir noch vertrauen?

- Habe ich Angst davor Fehler zu machen und laß deshalb lieber die Finger davon oder mache ich Fehler und lerne daraus?

- Bin ich bereit den langen, harten Weg zu gehen oder will ich nur meine Ruhe?

- Sehe ich diesen Weg als Qual bis zum Ziel oder als Bereicherung für mich selber?

(c) Quelle: mit freundlicher Genehmigung - Michael Kaswig - www.suchhunde.de